Am 30.4.2000 wurde in Marktredwitz unter Schirmherrschaft von Frau Ministerin Barbara Stamm das Egerland-Museum wiedereröffnet. Die mehrjährige Erweiterungs- und Umbauphase war damit abgeschlossen. Auf 360 m² wird jetzt ein anschaulicher Einblick in Geschichte und Kulturgeschichte des Egerlandes, dieser Region im Nordwesten Böhmens, gegeben.
Den Museumsgestaltern Peter Rudolf (Innenarchitektur) und Schneider und Partner (Museumsgraphik) ist es gelungen, in der sachlich nüchternen Architektur des Erweiterungsbaues des Egerland-Kulturhauses museale Erlebnisräume zu schaffen, die einen sinnlich orientierten Zugang zur Geschichte und Kultur des Egerlandes ermöglichen. Umgesetzt wird dies durch eine intensive Farbigkeit der Ausstellungsarchitektur, durch den sensiblen Umgang mit Licht und durch viele interaktive Möglichkeiten, Musik, Ton- und Filmdokumente abzurufen. Grundlage für die Gestaltung war das Museumskonzept der Volkskundlerin Elisabeth Fendl.
In weiten Teilen folgen Konzept und Gestaltung der Leitkategorie “Erinnerung”. Das Museum wird so in einigen Abteilungen zum “musée sentimentale”. Die Gestaltung hat sich in hohem Maße auf die emotionale Aufladung der Objekte eingelassen. Da wird etwa einem von der Hochzeit der Eltern bewahrten und geretteten Stück Brot die gleiche Behandlung zuteil wie einem wertvollen Objekt aus Porzellan. Durch die Überhöhung bestimmter Ausstellungsstücke, durch eine goldene Rahmung zum Beispiel, wird diese Aufladung deutlich gemacht.
Mit der Sammlung geretteter Heimatandenken begannen die heimatvertriebenen Egerländer bereits Ende der 1940er Jahre. In Regensburg und Bayreuth wurden 1951 und 1955 Egerland-Museen eingerichtet. In weiteren bayerischen Städten waren solche “Schaufenster” des Egerlandes geplant. Man ging dann jedoch von der Idee vieler kleiner dezentraler Museen ab und hat 1973 in Marktredwitz mit der Einweihung des Egerland-Kulturhauses auch ein zentrales Egerland-Museum der Öffentlichkeit übergeben. Eine Studienbücherei mit wertvollem Bestand wurde dem Museum damals angegliedert.
Pläne zu Erweiterung des Museums wurden vom Bund der Egerländer Gmoin seit den 1980er Jahren geschmiedet. Die Anstellung einer hauptamtlichen Museumswissenschaftlerin war ein erster Schritt in Richtung Neukonzeption und Neuaufstellung der Sammlung. Durch Ankäufe, Schenkungen und Leihgaben wurde es möglich, den Ausstellungszeitraum zu erweitern und nun auch Themen darzustellen, die in der “alten” Aufstellung nicht berücksichtigt waren.
Im Jahre 1996 hat man mit der Erweiterung und dem Umbau des Egerland-Kulturhauses begonnen. Der moderne Zweckbau wurde am Egerland-Tag 1997 übergeben. Zwei Jahre später hat man in den ehemaligen, jetzt modernisierten Museumsräumen die Egerländer Kunstgalerie und die erweiterte Egerländer Studienbücherei eröffnet.
Die Erweiterungs- und Neueinrichtungsmaßnahme Egerland-Kulturhaus Marktredwitz wurde vom Bundesministerium des Innern und vom Bayerischen Sozialministerium getragen. Auch die Egerland-Kulturhaus-Stiftung und die Stadt Marktredwitz beteiligten sich an den Bau- und den Einrichtungskosten.
Das Museum widmet sich in der Hauptsache der Kulturgeschichte des Egerlandes im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und der Geschichte der heimatvertriebenen Egerländer.
Das Konzept des neuen Egerland-Museums geht dabei von der Überlegung aus, daß es in diesem Haus nicht nur um die Region Egerland geht, sondern vor allem auch um die Erinnerung an und den Umgang mit dieser Region. Auch die Vertreibung der Egerländer aus ihrer Heimat, die erlittenen Verluste, die Verletzungen und die daraus resultierenden Erinnerungen und Erfahrungen sind deshalb im Museum zum Thema gemacht.
Die komplexe und umfangreiche Sammlung von Exponaten wird durch neueste didaktische und gestalterische Gesichtspunkte gegliedert und präsentiert: So wandert der Besucher in einer Zeitreise durch die Geschichte des Egerlandes.
Er erfährt von der prägenden Rolle einer tiefen Religiosität, von der besonderen Lebensweise und spürt beim Betreten der “Egerländer Bauernstube” die starke Heimatverbundenheit dieser Gemeinschaft. Die 1973 für das Museum zusammengestellte Stube trägt heute einen goldenen Rahmen. Dadurch soll verdeutlicht werden, daß die Erinnerung an die Heimat Egerland sich in Bildern verdichtet. Es handelt sich hier also nicht um eine reale Stube, sondern um das Bild einer Stube. Auch das eingefügte Großphoto einer authentischen Stubeneinrichtung aus der Zeit um 1900 soll die Funktion der Stube als Gelenk zwischen Realität und Erinnerung verdeutlichen.
Neben einer Einführung in Geschichte und Konfessionsgeschichte des Egerlandes und in die Geschichte der Sammlung, widmet sich das Museum den wirtschaftlichen Grundlagen der Region. Handwerk und Industrie werden anschaulich am Beispiel der Porzellanindustrie, der Glasveredelung, des Zinngießerhandwerks, des Musikinstrumentenbaus, der vielfältigen Hausindustrien und der Fachschulen dargestellt.
Die ländliche Kultur mit ihren verschiedenen Trachten, den bemalten Möbeln und den Fachwerkhöfen stellt ein Charakteristikum der Region Egerland dar, die vornehme Welt der Kurorte Karlsbad, Marienbad und Franzensbad ein zweites. Gerade der Bädertourismus hatte einen große Bedeutung für das Wirtschaftsleben des Egerlandes.
Kernstück und Höhepunkt dieser ersten Hälfte der Ausstellung ist deshalb eine inszenierte Bäderstraße. Hier wird der Besucher zurückversetzt in die Zeit der Jahrhundertwende, in eine typische Promenade der damals weltberühmten Badeorte, um dort den Tagesablauf der Kurgäste nachzuvollziehen. In heller Außenatmosphäre flaniert er vorbei an Souvenirläden und “Butiken” mit “Galanteriewaren”, genießt ein Kurkonzert und kann sich an einer Litfaßsäule über die “aktuellen” Logis-Möglichkeiten informieren. Im Inneren der Läden entdeckt er auf alten Photographien wohlhabende Kurgäste aus aller Welt, aber auch die dienstbaren Geister, die hinter den Kulissen des Bädertourismus wirkten: Handschuhmacher, Sprudelsteinschleifer, Klöpplerinnen, Dienstmägde etc.
Die Inszenierung eines Egerländer Hochzeitspaares mit Brautlader und eine Auswahl farbenfroher Trachten vermitteln dem Besucher einen Eindruck von der bunten, fröhlichen Seite des ländlichen Lebens und der Lebensfreude der Egerländer. Die Trachten sind über einen "Laufsteg" einzeln abrufbar und können in all ihren Details bewundert werden.
Mit dem geschichtlichen Bruch, der Vertreibung aus dem Egerland, beginnt die zweite Hälfte des Museumsrundgangs. Auch Krisenzeiten werden im Egerland-Museum zum Thema gemacht: die Nationalitätenkämpfe des frühen 20. Jahrhunderts und die Geschichte der 1930er und 1940er Jahre werden über Medieneinheiten beleuchtet.
In einer großen Abteilung wird versucht, zu beschreiben, was Flucht und Vertreibung für die Bewohner des Egerlandes bedeutet haben. Wie gestaltete sich der Anfang in einer fremden neuen Heimat? Wie hat man versucht, dem Heimweh entgegenzuwirken? Auch diese Fragen werden im Museum beantwortet.
Zeitgeschichte wird durch sinnliche Gestaltungselemente spannend in Szene gesetzt und dem Besucher emotional nahe gebracht: Er steht mit den Vertriebenen inmitten all der Koffer und Truhen auf einem Bahnsteig auf dem Weg in eine ungewisse Zukunft. Zeitzeugenberichte ermöglichen auch dem Besucher, der selbst keinen biographischen Bezug zum Egerland hat, einen anschaulichen Einstieg in die Thematik “Flucht und Vertreibung”.
In der Abteilung “Anfangen-Müssen” wird beispielhaft gezeigt, mit welch geringen Mitteln sich die Egerländer in ihrer neuen Heimat eine Existenz aufbauen mußten.
Wie die Egerländer es über alle Krisen hinweg geschafft haben, zusammenzuhalten und ihre Heimatliebe zu bewahren, zeigen die Ausstellungssequenzen über die Egerländer Gmoin und über den Huasnoantoutara, das Symbol der Egerländer.
Erstmalig werden im Egerland-Museum auch Teile der Stadtgeschichte von Marktredwitz dokumentiert und dem interessierten Besucher zugänglich gemacht.
Unter dem Leitmotiv “Marktredwitz und Eger” wird die Entwicklungsgeschichte der Stadt dargestellt, von ihren Anfängen als kleines reichsstädtisches Territorium bis hin zum Sitz der bayerischen Euregio Egrensis.
Archivalien aus den Stadtarchiven Marktredwitz und Eger belegen die engen Verbindungen in Verwaltung und Rechtsprechung, Handwerk und Handel. Anhand historischer Karten wird die besondere Situation des Marktes Redwitz als egerische Enklave mit fest umrissenem Stadtgebiet in unmittelbarer Nachbarschaft zum Markgraftum Bayreuth verdeutlicht. Aus der Zeit der konfessionellen Auseinandersetzungen zwischen Reformation und Gegenreformation stammt ein Meßgewand. Dieses soll Maria Theresia aus ihrem Hochzeitskleid umgearbeitet und der in Redwitz neugegründeten katholischen Gemeinde zur Ausstattung ihrer Kirche St. Theresia geschenkt haben.
Goethes Besuch im gerade bayerisch gewordenen Redwitz ist ebenso eine Abteilung gewidmet wie den verschiedenen Entwicklungsströmen im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert.
Mit dem Ende des zweiten Weltkrieges und der Errichtung des Eisernen Vorhangs brechen die jahrhundertealten Verbindungen zwischen Marktredwitz und Eger abrupt ab. Viele Heimatvertriebene finden in Marktredwitz ein neues Zuhause. Ihre Integration und ihr Einfluß auf bauliche und kulturelle Stadtentwicklung findet im Museum den entsprechenden Niederschlag. Hierher gehören der Bau des Egerland-Kulturhauses ebenso wie auch die Versuche, lang vor der Öffnung der Grenzen auf verschiedenen Gebieten wieder erste Brücken zu schlagen.
Seit den 1990er Jahren werden vom Egerland-Museum Marktredwitz Kontakte zu benachbarten Institutionen in der Tschechischen Republik geknüpft. Immer wieder konnten im Museum tschechische Gäste begrüßt werden. Sonderausstellungen zeigen die Früchte der grenzüberschreitenden Museumsarbeit.
Diese vom Bund der Egerländer initiierte grenzüberschreitende Arbeit ist in den letzten Jahren zu einem Schwerpunkt des Egerland-Museums geworden. Die Tatsache, daß auch die bayerische Koordinierungsstelle der Euregio Egrensis ihren Sitz im Egerland-Kulturhaus hat, macht das Haus zu einem Zentrum der grenzüberschreitenden Arbeit in Bayern.
Das neue Museum ist deshalb zweisprachig - deutsch und tschechisch - gestaltet.